Irgendwann ist die Lüge so groß geworden, dass sie mühelos zwei Leben füllte und jedes Dunkel mit ihrem milden Schein erhellte: Inniger als Sylvia (Julia Koschitz) mit ihrem Sohn Ben (Thomas Schubert) können Mutter und erwachsener Sprössling kaum sein; er nennt sie beim Vornamen und umarmt sie auf der Abiparty, er ist ihr Mann im Haus und doch kein neurotisches Schürzenkind, sondern ein lässiger junger Mann, der Songs für seine Band komponiert und mit seiner Freundin die Liebe entdeckt. Der Soundtrack des Lebens spielt auf, die Sonne malt bunte Kringel in die Wiener Luft, alles wäre wunderbar - gäbe es nicht dieses Dunkel in beinahe jeder Einstellung, aus dem eine längst volljährige Lebenslüge ans Licht kriecht. Redakteurin im Feuilleton. • Ben erfährt, dass er nicht das „Kind der reinen Liebe“ ist, als das Sylvia ihn immer ausgegeben hat.
Die ARD zeigte am Mittwoch den deutsch-österreichischen Film 'Am Ende des Sommers'. Eindringlich und still inszenierte Regisseur Nikolaus Leytner einen.
Das Interrail-Abenteuer mit sechzehn Jahren, der schöne Fremde, der in Florenz zustieg, die magischen Stunden und das gegenseitige Versprechen, es bei diesem perfekten Moment zu belassen und einander nie wiederzusehen, das Sylvia auch nicht brach, als sie merkte, dass sie schwanger war - alles nicht mehr als ein kitschiges Märchen. In Wahrheit ist sie vergewaltigt worden.
Unbegründete Behutsamkeit „Am Ende des Sommers“ (Buch: Agnes Pluch und Nikolaus Leytner, Regie: Nikolaus Leytner) gießt das Mutter-Sohn-Drama in einen Mittwochsfilm, den vor allem eine Sorge treibt: dass ihm die Zuschauer abhandenkommen könnten. Und der deshalb mit einer Behutsamkeit vorgeht, als könne seine weibliche Hauptfigur - die mit Julia Koschitz entsprechend zart besetzt ist - zerbrechen. Was durchaus unbegründet ist. Filmtrailer: „Am Ende des Sommers“ To view this video please enable JavaScript, and consider upgrading to a web browser that Video: MDR Doch statt in quälende Konfrontationen folgen wir Ben auf seiner irrlichternden Suche nach der Herkunft, zur Beerdigung seines Großvaters, später in die Wachau, wo seine Mutter den Akkordeonspieler traf, der sie überfiel. Als Ben seinem Vater endlich gegenübersteht, einen Körper ohne Gesicht, steuert die Geschichte wieder auf das matschige Gras zu, aus dem sie sich erhoben hat.
Es gewittert, und es ist zu spät. Wir haben viele atmosphärisch dichte Sequenzen gesehen, aber die Frage, ob es sich besser mit der Wahrheit oder einer Lüge lebt, ging fast verloren über der therapeutisch anmutenden Romanze der Mutter und einem Metadiskurs über Männlichkeit und Aggressivität, der wiederkehrt wie die lästige Fliege in einer Szene.
Ben (18) hat die Schule mit Bravour bestanden und Sylvia (34) hat allen Grund, stolz auf ihn zu sein. Auf ihren Sohn und auf sich selbst. Schließlich hat sie Ben ganz allein großgezogen und heute ist er ein rundum gelungener Junge.
Über seine Zeugung weiß Ben nur soviel, als dass er ein Kind der reinen Liebe ist. Er mag die romantische Geschichte über die Interrail-Bekanntschaft, eine Liebe für nur einen Tag, und gerade darum so groß. Ben hat seinen Vater nie gekannt, deshalb fehlt er ihm auch nicht.